Tatjana Sadoja | 17.01.2022
Erbbaurecht - eine günstige Alternative zum Kauf?
Das Erbbaurecht ist eine rechtliche Möglichkeit, die es erlaubt, ein Grundstück zu nutzen, ohne das Eigentum daran zu besitzen. Diese Konstruktion bietet eine Fülle von Chancen und Möglichkeiten, sei es für private Bauherren, Immobilieninvestoren oder öffentliche Einrichtungen.
Nachfolgend werden wir die Grundlagen des Erbbaurechts beleuchten, angefangen bei der historischen Entwicklung bis hin zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und Bestimmungen. Wir werden uns mit den Vor- und Nachteilen dieser Nutzungsform auseinandersetzen und praktische Ratschläge für die Vertragsgestaltung geben. Sie werden außerdem erfahren, wie das Erbbaurecht genutzt werden kann, um den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum zu erleichtern.
Darüber hinaus werden wir uns mit den finanziellen und steuerlichen Aspekten des Erbbaurechts beschäftigen. Wir werden Ihnen zeigen, wie Sie das Erbbaurecht als Kapitalanlage nutzen können und welche steuerlichen Implikationen dabei zu beachten sind. Viel Freude beim Lesen und Erforschen der Welt des Erbbaurechts!
Inhaltsverzeichnis
1. Das Wichtigste in Kürze
2. Was ist das Erbbaurecht
3. Begründung des Erbbaurechts
4. Der Erbbauzins
5. Wann erlischt das Erbbaurecht
6. Immobilienkauf mit einem bestehenden Erbbaurechtsvertrag
7. Mitspracherecht des Grundstückseigentümers
8. Welche Kosten entstehen beim Erbbaurecht
9. Wann lohnt sich Erbbaurecht?
10. Vor- und Nachteile des Erbbaurechts
1. Das Wichtigste in Kürze
• Bei einer Immobilie mit Erbbaurecht pachten Sie das Grundstück und finanzieren nur die Immobilie darauf
• Für das Nutzungsrecht zahlen Sie den Erbbauzins, der meist zwischen 3 und 6 % des Verkehrswertes liegt
• Während der Vertragslaufzeit kann das Grundstück mit veräußert, vererbt, beliehen oder übertragen werden
• Der Erbbaurechtsnehmer entstehen einmalige Zahlungen wie Erschließungskosten und Grunderwerbsteuer sowie wiederkehrende Kosten wie Erbbauzins, Grundsteuer, Gebäudeversicherung, Instandhaltung
• Beim Verstoß des Erbbaurechtsnehmers gegen vertragliche Vereinbarungen, droht der Heimfall. Dafür wird der Erbbaurechtsnehmer für den Verlust seiner Immobilie auf dem Erbbaurechtsgrundstück bis zu zwei Drittel des Verkehrswertes entschädigt
• Die vertragliche Laufzeit liegt meist bei 99 Jahren
2. Was ist Erbbaurecht
Wegen steigenden Grundstückspreisen und Bauzinsen können sich viele den Traum von Eigenheim nicht verwirklichen. Eine Alternative zum teuren Grundstückskauf kann das Erbbaurecht sein.
Das im Jahre 1919 verabschiedete Erbbaurechtsgesetz sollte zum einen den schwächeren Bevölkerungsschichten sowie Bauwilligen Wohnungsbau ermöglicht werden, ohne den Grund und Boden erwerben zu müssen und zum anderen Bodenspekulationen bekämpfen.
Mit dem Erbbaurecht wurde das gesetzliche Grundprinzip gebrochen, dass mit dem Grund und Boden fest verbundene Bestandteile zwingend dem Grundstückseigentümer gehören (§§ 93 und 94 BGB). So ermöglicht das Erbbaurecht ein Bauwerk auf einem fremden Grundstück zu errichten, ohne Eigentümer dieses Grundstücks zu sein.
Fehlt den Bauherren das Eigenkapital für das teure Bauland, haben sie die Möglichkeit auf einem fremden Baugrundstück ein Bauwerk gegen den vereinbarten Erbbauzins (so eine Art „Miete“ für das gepachtete Grundstück) zu errichten oder eine vorhandene Immobilie zu kaufen (§ 1 Abs. 1 ErbbauRG). Der Erbbauberechtigte hat somit ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht an einem Baugrundstück und ist der Eigentümer des Bauwerkes; das Grundstück verbleibt im Eigentum des Erbbaurechtsgebers. In der Regel erfolgt die Grundstücksvergabe nach dem Erbbaurecht von Kommunen, katholischen Kirchen (als größter Grundstückseigentümer Deutschlands) oder Stiftungen, im seltenen Fall von privaten Personen.
Erbbaurechte sind grundstücksgleiche Rechte und können veräußert, vererbt und mit Grundpfandrechten (Hypotheken oder Grundschulden) belastet werden. Verfügungen über das Erbbaurecht, wie z.B. Verkauf, Belastungen oder bauliche Erweiterungen bedürfen allerdings der Zustimmung des Erbbaurechtsgebers, sofern dies vertraglich geregelt ist (§ 5 ErbbauRG). Die Kosten für das Erbbaugrundstück, wie z.B. Erschließungskosten bei Neubau, Erbbauzins, Gebäudeversicherung und alle weiteren Versicherungskosten, Grundsteuer und Grunderwerbsteuer sowie alle laufenden Instandhaltungskosten sind von dem Erbbaurechtnehmer zu tragen.
Tipp: Prüfen Sie, ob Sie das Vorkaufsrecht für das Grundstück bekommen können, wenn der Erbbaurechtsgeber das Grundstück eines Tages veräußern möchte und Ihre Einkommenssituation sich bis dahin verbessert.
3. Begründung des Erbbaurechts
Die Begründung des Erbbaurechts erfolgt durch die notarielle Beurkundung des Erbbaurechtsvertrags zwischen dem Grundstückseigentümer (Erbbaurechtsgeber) und dem Erbbauberechtigten und Eintragung im Grundbuch. Es werden zwei Grundbücher angelegt: Das Grundstücksgrundbuch und das Erbbaugrundbuch.
Das Grundstück des Grundstückeigentümers wird mit einem beschränkten dinglichen Recht zwingend an 1. Rangstelle (§ 10 Abs. 1 ErbbauRG) in der Abteilung II des Grundstücksgrundbuchs belastet. Die vorgeschriebene Rangstelle schützt den Erbbauberechtigten und die finanzierende Bank vor dem Verlust des Erbbaurechts im Falle einer Zwangsversteigerung. Wenn ein Grundstückseigentümer in finanzielle Schwierigkeiten gerät, würde das Erbbaurecht weiterhin bestehen bleiben (§ 25 ErbbauRG).
Für den Erbbauberechtigten wird ein besonderes Erbbaugrundbuchblatt angelegt, das wie ein normales Grundbuch aufgebaut ist. Im Bestandsverzeichnis finden sich Informationen zum Erbbauvertrag, belasteten Grundstück und Grundstückseigentümer; in der Abteilung I wird der Erbbauberechtigte benannt; in der Abteilung II der Erbbauzins und sonstige Rechte und Belastungen; Abteilung III enthält die Grundpfandrechte.
Zu unterscheiden ist das Wohnungserbbaurecht (Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung) und Teilerbbaurecht (Teileigentum an nicht zu Wohnzwecken bestimmten Räumen).
4. Der Erbbauzins
Für das begrenzte Nutzungsrecht eines Erbbaurechtsgrundstücks wird das jährliche Entgelt in Form von Erbbauzins fällig, das an den Grundstückseigentümer zu entrichten ist. Der Anspruch des Grundstückeigentümers auf die Zahlung des Erbbauzinses wird im Erbbaurechtsvertrag festgelegt und durch die Eintragung einer Reallast in der Abteilung II des Erbbaugrundbuches dinglich gesichert.
Häufig orientiert sich die Höhe des Erbbauzinses am Bodenwert des Grundstücks und liegt meist zwischen ca. 3 bis 6% des Grundstückwertes. Der Erbbaurechtsgeber verknüpft den Zinssatz mit der im Erbbaurechtsvertrag geregelten Wertsicherungsklausel, die ihn dazu berechtigt den Erbbauzins regelmäßig anzupassen. Die meisten Erbbaurechtsverträge sehen die erste Anpassung des Erbbauzins nach 10 Jahren, dann nach 5 Jahren vor, gekoppelt mit der Entwicklung des Verbraucherpreisindex des statistischen Bundesamtes. Haben sich die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse verändert und ist der Verbraucherpreisindex in den 5 Jahren gestiegen, darf der Erbbaurechtsgeber den Erbbauzins erhöhen.
Damit aber der Erbbaurechtsgeber den vereinbarten Zinssatz nicht willkürlich erhöhen kann, schreibt das Erbbaurechtsgesetz die gesetzliche Kappungstrenze vor (§ 9a ErbbauRG). Eine Erhöhung des Erbbauzinses ist unzulässig, wenn diese den Mittelwert aus Bruttolohn- und Lebenshaltungskostensteigerung übersteigt.
Bei selbstgenutzten Immobilien hat der Erbbauzins übrigens keine steuerlichen Auswirkungen. Bei vermieteten (nicht umlagefähige Nebenkosten) oder gewerblich genutzten Immobilien kann der Erbbauzins hingegen als Werbungskosten in der Steuererklärung geltend gemacht werden.
5. Wann erlischt das Erbbaurecht?
Neben der Vereinbarung über die Höhe des geschuldeten Nutzungsentgeltes, wird im Erbbaurechtsvertrag auch die Laufzeit des Erbbaurechts vereinbart. Häufig wird eine Vertragslaufzeit von 99 Jahren gewählt. Das Erbbaurecht erlischt nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit oder beim Heimfall. In beiden Fällen verpflichtet sich der Grundstückseigentümer, den Erbbaurechtsnehmer angemessen zu entschädigen.
Sollte eine Immobilie während der Laufzeit verkauft, vererbt, beliehen oder übertragen werden, erlischt das Erbbaurecht nicht.
1. Nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit besteht ein optionales Recht auf Erneuerung des Erbbaurechts, da Kommunen oder Kirchen selten Interesse daran haben, die Immobilie zu erwerben. Wird der ausgelaufene Vertrag jedoch nicht erneuert, wird das Erbbaurecht mit Zeitablauf ordentlich beendet und das auf dem Erbbaugrundstück befindliche Bauwerk geht in das Eigentum des Erbbaurechtgebers über (§ 12 Abs. 3 ErbbauRG). Damit wird die rechtliche Trennung von Boden und Gebäude wieder aufgehoben und das errichtete Bauwerk auf einem Erbbaurechtsgrundstück wird zum wesentlichen Bestandteil des Grundstücks. Dem Erbbaurechtsnehmer steht für das errichtete Gebäude eine Entschädigung in Höhe von zwei Drittel des Verkehrswertes zu (§ 27 ErbbauRG).
2. Wenn sich der Erbbauberechtigte mit zwei vollen Jahreszinsen im Zahlungsrückstand befindet, über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder er gegen andere erbbauvertragliche Verpflichtungen verstoßen hat, sehen die meisten Erbbaurechtsverträge eine Heimfall-Regelung vor. Dieses sogenannte Sonderkündigungsrecht beinhaltet das vorzeitige Ende des Erbbaurechtsvertrages (Ende des Nutzungsrechts am Grundstück) und den schuldrechtlichen Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks an den ursprünglichen Rechtsinhaber. Auch in diesem Fall gilt eine angemessene Entschädigung an den Erbbauberechtigen. Es gilt die im Erbbaurechtsvertrag vereinbarte Heimfall-Regelung, da diese nicht gesetzlich festgeschrieben ist.
Tipps:
6. Kauf einer Immobilie mit einem bestehenden Erbbaurechtsvertrag
Während der Laufzeit des Erbbaurechtsvertrages können die vertraglichen Rechte vererbt und veräußert werden. Dies ist allerdings nur mit Zustimmung des Erbbaurechtsgebers / Grundstückeigentümers möglich. Der Erbbaurechtsgeber kann die Zustimmung verweigern, wenn der Käufer den Erbbauzins voraussichtlich nicht bezahlen kann.
Beim Verkauf der Immobilie auf einem Erbbaurechtsgrundstück gehen die schuldrechtlichen Verpflichtungen aus dem Erbbauvertrag auf den Käufer über. Der Käufer übernimmt dabei den bestehenden Erbbaurechtsvertrag des Vorbesitzers. Die Restlaufzeit des Erbbaurechtsvertrages wird einfach übernommen. Bestehende Erbbaurechtsverträge mit einer kurzen Vertragsrestlaufzeit stellen deswegen oft ein Problem bei der Finanzierung dar. Viele Banken fordern, dass die Immobilien mit Erbbaurecht 10 bis 15 Jahre vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit abbezahlt werden müssen.
7. Mitspracherecht des Grundstückseigentümers
Der Erbbaurechtsgeber hat außerdem bei folgenden Dingen ein Mitspracherecht:
- wenn baulichen Veränderungen an der Immobilie vorgenommen werden (z.B. Einbau neuer Fenster)
- bei Anbau oder Umbau der Immobilie
- wenn die Immobilie vermietet werden soll
- wie hoch die Immobilie beliehen werden darf
8. Welche Kosten entstehen beim Erbbaurecht
Auf den Erbbauberechtigten fallen sowohl einmalige Zahlungen als auch wiederkehrende Kosten zurück.
Einmalige Kosten beim Erbbaurecht:
Wiederkehrende Kosten beim Erbbaurecht:
9. Wann lohnt sich Erbbaurecht?
Wenn Sie nicht genug Eigenkapital haben und dennoch nicht auf Eigenheim verzichten möchten, dann kann das Grundstück mit Erbbaurecht eine Lösung sein. Ihre Baufinanzierung wird insgesamt günstiger, da Sie nur ein Darlehen für Ihre Immobilie aufnehmen. Die Kosten für das Grundstück entrichten Sie Jahr für Jahr in Form vom jährlichen Erbbauzins an den Grundstückseigentümer.
Ob sich die finanziellen Vorteile beim Erbbaurecht über die Jahre rechnen, zeigen nachfolgende Beispielrechnungen.
Beispiel 1:
Der Marktwert für ein Grundstück im Rhein-Main-Gebiet liegt bei 400.000 €. Der mittlere, jährliche Erbbauzins liegt bei 4%.
Grundstücksmarktwert - 400.000 €
Jährlicher Erbbauzins - 16.000 €
1Nach 10 Jahren gezahlt - 160.000 €
Nach 20 Jahren gezahlt - 320.000 €
Nach 30 Jahren gezahlt - 480.000 €
Tabelle1: Höhe eines fiktiven Erbbauzinses von 4 % / Jahr
Anhand dieser Beispielrechnung wird deutlich, dass sich das Grundstück mit dem Erbbaurecht bereits nach 30 Jahren nicht mehr lohnt. Nach der Regellaufzeit von 99 Jahren würden insgesamt 1.584.000 € für das Grundstück anfallen und Sie sind kein Eigentümer des Grundstücks.
Beispiel 2:
Eine Erdgeschoss-Wohnung im Wert von 698.000 € in einem Dreifamilienhaus auf einem Erbbaurechtsgrundstück. Monatlicher Erbbauzins liegt bei 147 €.
Kaufpreis Wohnung - 698.000 €
Jährlicher Erbbauzins - 1.769 €
Nach 10 Jahren gezahlt - 17.690 €
Nach 20 Jahren gezahlt - 35.380 €
Nach 30 Jahren gezahlt - 53.070 €
Nach einer Vertragslaufzeit von 99 Jahren würden insgesamt 175.131 € Kosten für das Erbbaurechtsgrundstück entfallen. Da die Immobilie mit Erbbaurecht ist, wurde der Preis von dem regulären Marktwert von 870.000 € auf 698.000 € gesenkt. In diesem Fall lohnt sich der Kauf der Erdgeschoss-Wohnung auf einem Erbbaurechtsgrundstück. Zudem wird man nie Eigentümer eines Grundstückes bei einer Wohnung im Dreifamilienhaus.
Bei einer Wohnung erwirbt man die Anteile an dem Erbbaurecht am Grundstück, die auf den Käufer übertragen werden. Bei drei Parteien im Haus sind es 34/1000 Miteigentumsanteile. Der Erbbauzins wird für das Sondereigentum (Wohnung) mit x-Anteilen von x-Gesamtanteilen berechnet, für den Stellplatz und x-Anteile an den WEG-Flächen wie Waschraum, Treppenhaus etc.
Ob sich die Immobilie auf dem Erbbaurechtsgrundstück lohnt, ist von Fall zu Fall unterschiedlich und muss im Einzelnen näher geprüft werden.
10. Vor- und Nachteile beim Erwerb einer Immobilie mit dem Erbbaurecht
Vorteile
Nachteile